Professionelle Ladungssicherung: Naturgesetze und Grundlagen

Die deutschen Unfallstatistiken untermauern den Bedarf an einem noch größeren Bewusstsein für Ladungssicherung – inklusive der dazugehörigen Verantwortungsbereiche. LKW und andere Transporter verursachen hierzulande pro Jahr durchschnittlich 2.500 Unfälle, die auf einen mangelnden Transportschutz der mitgeführten Produkte zurückzuführen sind. Daraus ergeben sich jährlich Schäden in Höhe von einer halben Milliarde Euro, die oft mit Verletzungen oder Schlimmerem einhergehen und das öffentliche Ansehen der Beteiligten beeinträchtigen. So kann die Annahme, dass eine schwere Ladung bereits durch ihr Eigengewicht gesichert ist, beim kleinsten Brems- und Ausweichmanöver schwerwiegende Folgen nach sich ziehen.

Die physikalischen Naturgesetze

Im Zusammenspiel von Beschleunigung und Masse entstehen enorme Kräfte, die jeder schon einmal am eigenen Körper gespürt hat, wenn er in einem schnell beschleunigenden Auto oder Flugzeug gesessen hat. Beschleunigt beispielsweise ein Auto von 0 auf 100 km/h in 10 sec., so wird man mit 28 % seines eigenen Körpergewichts gegen den Sitz gedrückt. Nach diesem Prinzip funktioniert auch die Ladungssicherung von Waren.

Die Gewichtskraft

Eine Ladung bleibt nur so lange an ihrem Platz, bis auftretende Kräfte sie dazu zwingen, ihre Position zu verändern. In den meisten Fällen geschieht dies durch ein Bremsmanöver, eine scharfe Kurve oder eine zu starke Beschleunigung. Besonders bei einer Beschleunigung wirken enorme Kräfte auf die Fahrrichtung ein, die bis hin zu 80 % des Ladungsgewichtes einnehmen können:

In Fahrtrichtung -> 0,8 Fg – entspricht 80 % des Ladungsgewichtes
Zu den Seiten -> 0,5 Fg – entspricht 50 % des Ladungsgewichtes
Nach hinten -> 0,5 Fg – entspricht 50% des Ladungsgewichtes

Bei der Gewichtskraft kommt das newtonsche Gesetz zu Anwendung: Masse * Geschwindigkeit. Das heißt auf die Ladung bezogen, dass die Gewichtskraft einer Ladung aufgrund der Erdanziehungskraft ihrer Masse auf die Ladefläche drückt.

Gewichtskraft = Masse * Erdbeschleunigung (Fg = m * g wobei g = 9,81 m/s2)

daN ist die Abkürzung für Dekanewton: 1 daN (Dekanewton) entspricht 10 Newton. Diese Einheit wird in der Hebetechnik und bei der Ladungssicherung verwendet, um die Tragfähigkeit oder Bruchfähigkeit von Seilen oder Gurten zu bestimmen, gemäß DIN 61360. Sie entspricht der Gewichtskraft, welche auf eine Masse von 1 kg wirkt.

Die Massenkraft

Die Massenkraft, auch gerne als Trägheitskraft oder Fliehkraft bezeichnet, ist jene Kraft, mit welcher sich die Ladung einer Änderung ihres Bewegungszustandes widersetzt. Die Massenkraft wirkt einer Beschleunigung oder Bremsung entgegen, also sie drückt die Ladung beim Bremsen nach vorn bzw. in Kurven nach außen. Deshalb ist sie die größte Herausforderung bei der Ladungssicherung, um eine Ware sicher an den Zielort zu transportieren.

Massenkraft = Masse * Beschleunigung (Fx = m *a)

Reibungskraft

Sie unterstützt die Ladungssicherung, indem sie einer Verschiebung der Ladung entgegenwirkt. Dabei gilt: je rauer eine Oberfläche, desto stärker kann die Reibungskraft wirken, da eine sogenannte „Mirkroverzahnung“ zwischen Ladung und Ladefläche entsteht. Diese Verbindung kann lediglich durch stärkere Kräfte (beim Bremsen, Beschleunigen oder in den Kurven) unterbrochen werden. Kommt es zu dieser physikalischen Verbindung, gerät die Ladung außer Kontrolle. Entscheidenden Einfluss hat die Oberfläche einer Ware, was im häufigsten Fall die Verpackung ist.

Reibungskraft = Reibbeiwert * Gewichtskraft (Fr = µ * Fg)

Sicherungskraft

Die Sicherungskraft muss vom Fahrzeugaufbau oder von den Sicherungsmitteln aufgefangen werden. Ihre Aufgabe ist es, der Massenkraft entgegenzuwirken und die Ladung gegen das Verrutschen zu sichern.

Sicherungskraft = Massenkraft – Reibungskraft (Fs = Fm – Fr)

Merke: Die Sicherungskraft wird durch die Ladungssicherungsmaßnahmen aufgebracht.

Grundsätzliche Anforderungen an die Ladungssicherung

Die Aufgabe der Ladungssicherung ist es, die entstehenden Kräfte beim Warentransport durch geeignete Maßnahmen aufzufangen. Dabei wird die Form der Ladungssicherung immer durch die Art der Ladung bestimmt: Langgut, flächiges Gut, Güter in Rollform, Einzelgüter, Sammelpackungen, Ladeeinheiten oder auch Fahrzeuge und Schuttgüter, gilt es beim Transport zu sichern.

2 Ausnahmen, bei welchen keine Ladungssicherung vorgenommen werden muss

  • Schüttgut in offener Mulde, wo Ladung nicht über Bordwand ragt UND nicht vom Wind herab geweht werden kann
  • Formschlüssig vollflächig verstaute Ladung auf einem Fahrzeug mit einer ausreichend festen Laderaumbegrenzung

Bei der Auswahl eines geeigneten Fahrzeugs für den Transport sollte beachtet werden

  • Art des Gutes: Coils, Stahlbleche, Betonteile, Stückgut, …
  • Verpackungsart: Fässer, Kartons, Kisten, palettiert, nicht palettiert
  • Menge der Ladung: Gewicht, Volumen, Abmessungen, …
  • Transportweg: Straße, Schiene, Binnenstraße, Seeweg, kombinierter Verkehr
  • Äußere Bedingungen: Wetter, Fahrtstrecke, Klimazonen, …

Nur wer möglichst genau weiß, was wohin transportiert werden soll, kann ein geeignetes Fahrzeug mit den passenden Hilfsmitteln ordern. Vor Fahrtantritt muss geprüft werden, ob Fahrzeug geeignet.

Der Lastverteilungsplan

Die Richtlinie VDI 2700 Blatt 4 fordert, dass Ladung so zu verstauen ist, dass der Schwerpunkt der gesamten Ladung möglichst über der Längsmittellinie des Fahrzeugs liegt. Der Schwerpunkt ist dabei so niedrig wie möglich zu halten, das Fahrzeug darf nicht überladen sein und die Lastverteilung ist zu beachten. Auch bei Teilladungen ist eine gleichmäßige Gewichts- und Lastverteilung anzustreben, i.d.R. befindet sich der Lastschwerpunkt VOR der inneren Achse. Mit einem Lastverteilungsplan werden die Werte konkret berechnet.

Die Praxis zeigt aber, dass selten ein konkret berechneter Lastverteilungsplan mitgeführt wird. Das Gewicht und die damit verbundene Lastverteilung wird bei der Verladung geschätzt. Dies führt häufig zu völlig falscher Beladung, was zu über- oder unterschrittenen Achslasten führt und wiederrum das Brems- und Lenkverhalten negativ beeinflusst. Im schlimmsten Fall können Bremsen blockieren oder das Fahrzeug kann kippen. Weiterhin wird aus Zeitgründen auch das Fahrzeug oft in umgekehrter Reihenfolge zu den Entladestellen beladen – also first-in-last-out Prinzip.

Eine mangelnde Ladungssicherung kann teuer werden

Ist eine Ladung nicht ausreichend gesichert, kann diese nicht nur zu einer Gefahr für alle Verkehrsteilnehmer werden, sondern auch ein Bußgeld, Punkte und ein Strafverfahren nach sich ziehen. Welche Rechten und Pflichten die einzelnen Parteien bei der Ladungssicherung haben und welche möglichen Rechtfolgen sich daraus ableiten, können Sie in unserem Artikel „Verantwortlichkeiten bei der Ladungssicherung: rechtliche Grundlagen, Verordnungen und mögliche Strafen“ nachlesen.

Welche Formen der Ladungssicherung gibt es? 

Prinzipiell gibt es für die unterschiedlichen Formen der Ladung zwei Arten der Sicherung:

Die formschlüssige Ladungssicherung

Diese Form der Ladungssicherung bezieht sich auf das Abstützen der Ware, beispielsweise gegen die Wände eines Frachtraumes. Die Ladeeinheit wird beim Verladen in eine Form gebracht, durch die sie gegen das Umfallen oder Verrutschen gesichert ist. Die Abstützung hat die Aufgabe, die erforderlichen Rückhaltekräfte aufzunehmen. Auch mit Keilen oder Festlegehölzer ist die formschlüssige Ladungssicherung möglich.

Die kraftschlüssige Ladungssicherung

Bei dieser Ladungssicherung kommen Hilfsmittel wie Spanngurte, Ladungssicherungsnetze und Anti-Rutsch-Matten zum Einsatz, die das Rutschen und oder Kippen verhindern sollen. Eine weitere Form ist das Bilden von Ladeeinheiten durch Bündeln.

Checkliste Ladungssicherung

Fahrzeug – Grundlagen

  • Ist das Fahrzeug für die aufzunehmende Ladung geeignet?
  • Befindet sich das Fahrzeug in einwandfreiem technischem Zustand?

Fahrzeugaufbau – Grundlagen

  • Ist ein Lastverteilungsplan vorhanden?
  • Sind Zurrpunkte an der Ladefläche wie Ösen, Zurrschienen, Lademulden usw. vorhanden?
  • Wird die maximale Belastung der Zurrpunkte angegeben (Prägung)?
  • Ist die Ladefläche unbeschädigt?
  • Ist die Ladefläche sauber? Dies beeinflusst maßgeblich die Reibbeiwerte.
  • Sind die Bordwände unbeschädigt?

Ladungssicherung – Hilfsmittel

  • Sind Ladungssicherungsmittel wie Zurrgurte und Ketten vorhanden und in technisch einwandfreiem Zustand?
  • Wurden die Zurrgurte geprüft und die Angaben auf dem Etikett beachtet?
  • Sind weitere Hilfsmittel zur Ladungssicherung wie Antirutschmatten, Kantenschutz für Zurrgurte, Netze und Planen, Ladegestelle, Rechteckhölzer, Keile usw. vorhanden?
  • Gibt es festmontierte Boxen für Kleinwerkzeug und -material? Oder werden Transportbehälter genutzt, welche ebenfalls sicher verstaut werden können.
  • Sind spezielle Halterungen für Gasflaschen oder Benzinkanister angebracht?
  • Gibt es Vorrichtungen für den Transport von Schaufeln, Besen, Spitzhacke etc.?

Ladung gesichert?

  • Ist die Ladung gegen Verrutschen auch bei plötzlichen Richtungswechseln und bei Vollbremsung, also in alle Richtungen, gesichert?
  • Wurden die richtigen Zurrgurte mit den ausreichenden Vorspannkräften und ggf. weitere notwendige Hilfsmittel ausgewählt?
  • Wurde die Vorspannkraft der Zurrgurte /-ketten eingehalten und die Anzahl der benötigten Gurte korrekt ermittelt (die Art des Zurrens ist hier ausschlaggebend)?
  • Werden einzelne Stangen, Kanthölzer, Balken gebündelt transportiert?
  • Wird die maximale Beladung des Fahrzeugs hinsichtlich Länge und Breite berücksichtigt?

Und zuletzt: Hat der Fahrer den ordnungsgemäßen Zustand der Ladung vor der Abfahrt kontrolliert?

Die wirkenden Kräfte bei der Fahrt sind komplex und nicht zu unterschätzen, deshalb sollte die Ladungssicherung immer gewissenhaft ausgeführt werden. Weitere Informationen finden Sie in unserem Grundlagenartikel zum Thema Ladungssicherung. Die rechtlichen Aspekte erläutern wir Verantwortlichkeiten bei der Ladungssicherung: rechtliche Grundlagen, Verordnungen und mögliche Strafen.


    4 thoughts on “Professionelle Ladungssicherung: Naturgesetze und Grundlagen

    1. Also ich finde das sehr spannend. Lernt man doch nochmal richtig was. 😀 Auch, wenn das für die Hundebox vermutlich nicht gilt, oder????

      1. Guten Tag Frau Marla,

        vielen Dank für Ihre Anfrage und Ihr Feedback. Für den Transport von Hundeboxen in PKW´s empfehle ich Ihnen unser Ladungssicherungsnetz, das Sie in vier Ecken anbringen und für einen festen Halt festzurren können. Unter folgendem Link können Sie sich das Produkt in unserem Webshop ansehen:

        https://www.ratioform.de/Warensicherung-und-Export/Transportsicherung/Ladungssicherung/Ladungssicherungsnetz/?ip=

        Falls Sie hierzu Rückfragen haben, stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.

        Viele Grüße,
        Jonas Fischer

    2. Für den Tipp zum Lastverteilungsplan meinen besten Dank! Wir brauchen unsere Maschinen erst mit LKW und dann mit Schiff zu transportieren. Die Infos über die Lastverteilung würden uns beruhigen!

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