Wenn es regnet, möchte man sich nur ungern Wind und Wetter aussetzen, sondern viel lieber Schutz im Trockenen suchen. Pflanzen bleibt hingegen schlechtes Wetter nicht erspart. Doch sie haben eine interessante Strategie entwickelt, um sich vor zu viel Nässe und Feuchtigkeit zu schützen. Wie ausgeklügelt sich die Natur auf ihre Umwelt eingestellt hat, zeigt der sogenannte „Lotuseffekt“. Viele haben es in der Natur wahrscheinlich schon einmal beobachten können, wie einzelne Wassertropfen an den Blättern einer Pflanze einfach abperlen, ohne dabei die Blattoberfläche mit Wasserrückständen zu benetzen. Doch wie genau funktioniert das Wunder der Natur eigentlich? Und wie hat die Verpackungsindustrie davon profitieren können? In unserem zweiten Teil unserer Serie, wollen wir diesen Fragen nachgehen.
Die Entstehung des Lotuseffekts
Um den Lotuseffekt genauer verstehen zu können, muss man zunächst einmal die chemischen und physikalischen Bedingungen genauer betrachten. Der Lotuseffekt wird durch zwei Faktoren begünstigt. Zum einen durch die Oberflächenstruktur des Blattes und zum anderen durch den Wassertropfen selbst. Ein Wassertropfen besteht aus positiv geladenen Wasserstoffatomen und negativ geladenen Sauerstoffatomen. Aus dieser Kombination entsteht beim Wassertropfen ein physikalisches Bestreben, die Oberfläche möglichst klein zu halten, was sich am kugelförmigen Abperlen an den Blättern beobachten lässt.
Kommt ein Wassertropfen mit einer Oberfläche in Berührung, hängt es davon ab, welche sogenannten Anhaftungskräfte auf der Oberfläche wirken. Ist die Oberfläche wasserabweisend, dann ist sie chemisch ungeladen und sorgt durch eine geringe Anhaftungskraft für eine kleine Kontaktfläche zwischen Wassertropfen und Oberfläche. Durch die Oberflächenspannung bilden sich kleine Wassertropfen, die an den Blättern abperlen. Bei wasserempfänglichen Oberflächen ist dies genau umgekehrt, da durch eine hohe Anhaftungskraft eine größere Kontaktfläche entsteht.
Aber woran liegt es genau, dass die Oberfläche eines Blattes wasserabweisend ist? Betrachtet man die Oberfläche eines Lotusblatts genauer, dann lässt sich das naturwissenschaftliche Phänomen besser verstehen.
Die Blatthaut der Lotuspflanze besteht aus einer Vielzahl von kleinen Zellen, in der lösliche Wachse synthetisiert werden. Diese löslichen Wachse werden nach außen getragen, wodurch ein lückenloser Film auf der äußeren Blattschicht entsteht, der die Zellaußenwände schützt. Unter dem Mikroskop betrachtet, zeigen sich auf der Blattoberfläche winzige Wachskristalle, die dem Blatt eine raue, genoppte Struktur verleihen. Durch die Noppenstruktur haben Wassertropfen oder Schmutzpartikel wenig Kontaktfläche zur Oberfläche des Blattes. Ein Wassertropfen perlt aufgrund der Neigung der Oberfläche kugelförmig ab und nimmt dabei praktischerweise locker auffliegende Schmutz- und Staubpartikel mit. Dadurch reinigt sich die Pflanze gewissermaßen selbst.
Der Lotuseffekt und die Eroberung der Industrie
Die Entdeckung des Naturphänomens hat Forscher dazu veranlasst, die wasserabweisende Mikrostruktur des Lotusblattes auf einer künstlichen Oberfläche nachzubilden, was als Meilenstein in der Nanotechnologie gilt. Durch die künstliche Nachbildung des Lotuseffekts, hat die Industrie enorm profitieren können, indem die unterschiedlichsten Materialen vor Witterungseinflüssen geschützt werden konnten.
In der Industrie wird der Lotuseffekt in der sogenannten Nanoversiegelung genutzt. Dabei verbinden sich beim Auftragen der Schutzschicht Nanopartikel einerseits mit Komponenten auf der Oberfläche zur Oberflächenversiegelung und gleichzeitig mit Komponenten, die Wasser oder Schmutz abstoßen. So bildet sich auf der Oberfläche durch eine glasartige Verbindung der einzelnen Nanopartikel eine ausgehärtete, glasartige Schicht.
Mittlerweile findet sich der Lotuseffekt in vielen Einsatz- und Produktbereichen wieder, so auch in der Verpackungsindustrie. Ein Beispiel für den Einsatz in der Verpackungsindustrie sind wasserabweisende Kantenschutzleisten, mit denen Packstücke stabilisiert werden. Mit einer PE-Beschichtung wird selbst die Vollpappe vor Witterungseinflüssen wie Wasser geschützt. Wie bei den Lotusblättern perlt das Wasser in Form von Tropfen an der Oberfläche ab. So bleibt die Pappe trocken und es wird eine ärgerliche Beschädigung der Packstücke vermieden.
Wie Sie sehen, kann man von der Natur noch Vieles lernen. Das gilt auch in Sachen Verpackungslösungen.
Weitere wasserabweisende Produkte:
Quellen:
Kropp, Ruthild: Genial geschützt: Raffinierte Verpackungen in der Natur.
http://www.br.de/themen/wissen/bionik-lotuseffekt-natur100.html
http://www.nanotol.de/infocenter/lotuseffekt/
http://www.daserste.de/information/wissen-kultur/wissen-vor-acht-ranga-yogeshwar/sendung-ranga-yogeshwar/2011/was-verbirgt-sich-hinter-dem-lotuseffekt-folge-594-100.html