Laut dem Umweltbundesamt verwertet die Abfallwirtschaft die gesammelten Kunststoffabfälle nahezu vollständig. Im Jahr 2017 waren dies 46 Prozent aller gesammelten Kunststoffabfälle, die werkstofflich verwertet wurden, knapp 1 Prozent rohstofflich und 53 Prozent energetisch. Vor allem aus Klima- und Umweltschutzsicht sollten mehr Kunststoffabfälle werkstofflich verwertet werden. Um die Umwelt zu schützen und gleichzeitig die Grundlage für eine neue Kunststoffwirtschaft zu schaffen, hat sich die EU-Kommission in Brüssel bis 2030 ein Ziel gesteckt. Alle Kunststoffverpackungen in der EU sollen recycelbar oder wiederverwendbar sein.
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Die Kunststoffstrategie der EU-Kommission
Die Kunststoffstrategie besagt, dass der Verbrauch von Einwegkunststoffen reduziert und die absichtliche Verwendung von Mikroplastik untersagt wird. Zusätzlich wurde Mitte 2019 die Richtlinie für Einwegkunststoffprodukte geschaffen, die einige Wegwerfprodukte aus Handel und Gastronomie verbannt. Darunter fallen die zehn Wegwerfprodukte, die am häufigsten in europäischen Stränden zu finden sind, wie Getränkebecher oder Einweggeschirr. Zudem soll die Getrenntsammlung und Sortierung von Kunststoffabfällen stärker standardisiert werden, um das Recycling kostengünstiger zu machen. Die Kommission rechnet mit Einsparungen bis zu 100 €/Tonne.
Diese Anpassungen finden in der Gesellschaft großen Anklang wie der Euromonitor International’s Global Consumer Trends Survey zeigt. Demnach versuchen 68 Prozent der 40-70 Jährigen einen negativen Einfluss auf die Umwelt in ihrem täglichen Handeln zu vermeiden. Unter den 25-40 Jährigen denken 60 Prozent, dass sie durch ihre Entscheidungen und Handlungen einen Unterschied in der Welt machen können.
Begleitet wird die Strategie unter anderem von einem Vorschlag über Hafen-Auffangvorrichtungen zur Entladung von Abfällen und einem Bericht über oxo-abbaubare Kunststoffe. In diesem wird die Einschränkung der Nutzung dieser Kunststoffe innerhalb der EU empfohlen. Grund dafür sind verschiedene Forschungen, die belegen, dass oxo-abbaubare Kunststoffe zwar zersetzt aber nicht vollständig biologisch abgebaut werden. Kritik daran äußerte der Verband European Bioplastics e. V. (EUBP), der konkrete Maßnahmen zur Förderung von biobasierten Kunststoffen aus nachwachsenden Rohstoffen vermisst. Der EUBP begrüßt aber die klare Trennung von biologisch abbaubaren und oxo-abbaubaren Kunststoffen.
Einteilung von Kunststoffen nach Ausgangsmaterial und Abbaubarkeit
Kunststoffe kann man unterschiedlich kategorisieren, wie z. B. nach ihrem mechanisch-thermischen Verhalten, wie wir dies in unserem Artikel zur Materialkunde der konventionellen Kunststoffe (PP, PVC, PE etc.) getan haben. Zu beachten bei der Einteilung nach der biologischen Abbaufähigkeit ist, dass die Begriffe „Biopolymer“, „Biokunststoff“, „biologischer abbaubarer Kunststoff“, „Kunststoff aus nachwachsenden Rohstoffen“ nicht geschützt sind, noch liegt eine offizielle Definition vor. So werden diese Begriffe für unterschiedliche Arten von Kunststoffen, also Zusammensetzungen und Materialien, verwendet. Weiterhin richtet sich die Abbaufähigkeit auch nicht zwangsläufig nach den Ausgangsstoffen, sondern nach den Verbindungen, also dem molekularen Aufbau, des fertigen Kunststoffs. Deswegen ist nicht jeder Kunststoff aus nachwachsenden Rohstoffen auch gleich biologisch abbaubar. Und nicht jeder abbaubare Kunststoff ist aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt.
Im Wesentlichen unterteilen sich Bio-Kunststoffe wie folgt:
- Abbaubare petrobasierte Polymere
- Abbaubare (überwiegend) biobasierte Polymere
- Nicht abbaubare biobasierte Polymere
Unterteilung von Bio-Kunststoffen
Abbaubare petrobasierte Polymere, oxo-abbaubare Kunststoffe
Hier spricht man von herkömmlichen Kunststoffen mit chemischen Additiven, welche die den Abbau beschleunigen sollen. Oxo-Additive führen dazu, dass die Polymere unter Einfluss von UV-Licht, Hitze oder Feuchtigkeit zerfallen. Diese oxo-abbaubaren Kunststoffe zerfallen aber keinesfalls in ihre Ausgangsmaterialien sondern lediglich in Fragmente, also Mikroplastik, welches weiterhin die Umwelt belastet. Ein großes Problem besteht bei diesen Kunststoffen auch darin, dass sie die Qualität des Rezyklats (also des recyceltens Kunststoffs) verringern – oder sogar das Recycling behindern. Deswegen empfiehlt die EU-Kommission in ihrem Bericht über oxo-abbaubare Kunststoffe, diese in der EU einzuschränken, wenn nicht gar zu verbieten, solange keine wissenschaftlichen Beweise für die komplette Bioabbaubarkeit vorgelegt werden können. Das Gleiche gilt für die noch recht neu am Markt erhältlichen enzymbasierten Additive. Auch diese führen nur zu einer Fragmentierung der Kunststoffketten.
Abbaubare (überwiegend) biobasierte Polymere
Diese Polymere sind chemisch gesehen neuartige Strukturen – mit zum Teil ganz anderen Eigenschaften als die petrochemischen Vorbilder. Oft werden bereits natürlich vorkommende Polymere eingesetzt oder es werden in synthetisch hergestellte Ketten Einheiten wie Zucker, Bernsteinsäure oder Milchsäure integriert. Beispiele sind PLA und PHA. Die meisten der biobasierten Kunststoffe bestehen allerdings nicht komplett aus biobasierten Polymeren, sondern aus einer Mischung der verschiedenen Typen – nicht zuletzt um eine Verbesserung der Werkstoffeigenschaften zu erreichen. Sogenannte Blends bestehen meist aus 70% biobasierten Materialien, der Rest sind konventionelle Kunststoffe, um beispielsweise eine wasserabweisende Wirkung zu erhalten.
Vor allem im Verpackungs- oder Cateringbereich gibt es Materialien, die komplett aus biobasierten Stoffen bestehen. Hergestellt werden diese meist aus Abfallprodukten der Lebensmittelherstellung bzw. -verarbeitung. Diese Kunststoffe sind komplett kompostierbar und werden zu Humus bildenden Stoffen abgebaut. Dies sind beispielsweise:
- Verpackungsschalen für Obst und Gemüse aus Holzschliff
- Einmalgeschirr aus Zuckerrohrfasern oder Kartoffelstärke (Letzteres ist oft sogar essbar)
- Besteck aus Pappelholz oder Palmblättern
Biobasiert bedeutet allerdings nicht, dass diese Kunststoffe in der Umwelt oder im heimischen Kompost biologisch abbaubar wären. Auch diese sind unter Umständen noch lange in der Umwelt zu finden oder zersetzen sich nur in Fragmente, sogenanntes Mikroplastik. Sie müssen also, ebenso wie alle anderen Kunststoffe, korrekt entsorgt und recycelt oder verbrannt werden. Es sei noch angemerkt, dass nicht alle biobasierten Polymere als Bioabfall verwertet werden können. Einige Kompostierungsanlagen haben sogar oft Probleme mit biobasierten Kunststoffen und entfernen diese regelmäßig aus dem Bioabfall, um sie anschließend als Sortierrest zu verbrennen.
Die Herstellung mit biobasierten Materialien führt nicht zu einer Verbesserung der Ökobilanz über den gesamten Lebenszyklus der Produkte hinweg. Ein Vorteil bei der Herstellung ergibt sich, wenn für die notwendigen Rohstoffe keine Pflanzen zusätzlich angebaut werden müssen, sondern Reststoffe aus bestehender Pflanzenproduktion eingesetzt werden (wie Weizenstroh, Kartoffelabfälle oder faserige Abfälle von Zuckerrohr). Biobasierte Kunststoffe werden die herkömmlichen Kunststoffe vorerst nicht ersetzen, sind aber eine sinnvolle Ergänzung.
Nicht abbaubare biobasierte Polymere
Damit verbunden spricht man auch von “Drop-In-Lösungen”. Diese biobasierten Kunststoffe sind chemisch identisch mit bereits bekannten Materialien auf Mineralölbasis und genauso wenig „bioabbaubar“ wie die „Originale“. Das Problem besteht darin, dass es in der Natur nicht möglich ist – bzw. nur in sehr langen Zeiträumen (600 Jahre und mehr) – die langen Polymerketten in ihre Einzelteile zu zerlegen. Beispiele: Bio-PET, Bio-PVC.
Biologischer Abbau herkömmlicher (petrochemischer) Kunststoffe
Es gibt einige wenige Experimente, in denen gezeigt werden konnte, dass der Abbau von herkömmlichen Kunststoffen durch Insekten möglich ist. So können beispielsweise die Dörrobstmotte und die Große Wachsmotte während der Verdauung Polyethylen abbauen. Wobei der Mechanismus noch nicht vollständig erforscht wurde. Weiterhin wurde 2016 das Bakterium “Ideonella sakaiensis” entdeckt, das sich von PET-Abfällen ernähren kann. Es zersetzt PET in seine Ausgangsstoffe Terephthalsäure und Glykol, allerdings benötigt auch dieses Bakterium dafür viel Zeit: bis zu sechs Wochen für einen dünnen Film. Der Vierte im Bunde: der Mehlkäfer. Er kann sich von Polystyrol ernähren. Aber auch hier ist der Prozess noch nicht endgültig geklärt.
Es ist in den meisten Fällen aber nicht bewiesen, dass die Kunststoffe tatsächlich abgebaut/verdaut werden. In den Ausscheidungen der Mehlwürmer konnte beispielsweise bereits fragmentiertes PS nachgewiesen werden, das auch weiterhin die Umwelt belastet und nicht abgebaut werden kann – so Ramani Narayan in einem Vortrag zum Thema auf der European Bioplastics-Konferenz Ende November 2017.
Betrachtung des gesamten Lebenszyklus ist entscheidend
Die Vermeidung beziehungsweise die Einsparung von Kunststoff ist eine effiziente Möglichkeit, um die Ressourcen unserer Erde zu schonen und große Mengen Abfall, vor allem in den Meeren zu verringern. Mit der Richtlinie für Einwegkunststoffprodukte werden künftig Wegwerfprodukte aus Handel und Gastronomie reduziert. Auf lange Sicht ist es entscheidend den gesamten Lebenszyklus zu betrachten, wenn es um die Vermeidung von Abfällen geht. Das Recycling nimmt eine entscheidende Bedeutung ein. Nur so können Rohstoffe entsprechend verwertet werden.
Als Verpackungsexperte beraten wir Sie gerne zu Ihren individuellen Fragestellungen rund um die Verpackungswelt. Kontaktieren Sie uns gerne:
Vielen Dank für den Beitrag zu Bio-Kunststoffen. Meine Tante nutzt Behälter aus Kunststoffen, die nach der VO EU 10/2011 Spezifische Migration getestet wurden. Gut zu wissen, dass es im Catering-Bereich häufig Verpackungsmaterialien aus Abfallprodukten der Lebensmittelherstellung gibt.
Interessant, dass Oxo-Additive dazuführen, dass die Polymere unter Einfluss von UV-Licht, Hitze oder Feuchtigkeit zerfallen. Mich würde interessieren, ob man eine Seefracht Kiste irgendwann auch aus solchen Materialien herstellen kann. Das wäre wirklich nachhaltig.
Vielen Dank für den Beitrag zum Thema Bio-Kunststoffe. Mein Neffe lernt gerade alles zum Thema Kunststofftechnik in der Ausbildung. Gut zu wissen, dass Bio-Kunststoffe auf nachwachsenden Rohstoffen basieren, die entweder bioabbaubar sind oder nicht.